Insel aus göttlichem Tau

von Andrea M. Jarach

Einige Monate ist es her, da wurde in Ferrara im Beisein des italienischen Präsidenten Sergio Mattarella und des Kulturministers Dario Franceschini der erste Abschnitt des »Nationalen Museums für italienisches Judentum und die Schoa« (MEIS) eröffnet. Das Gesamtprojekt soll bis zum Jahr 2020 abgeschlossen sein. Bis dahin wird es im MEIS auch eine Buchhandlung und ein Restaurant geben sowie Veranstaltungs- und Konferenzräume.

Im Rahmen einer internationalen Ausschreibung wurde im Januar 2011 unter 56 Einreichungen der Entwurf des Büros Arco aus Bologna ausgewählt, das mit dem Architekturbüro Scape spa aus Rom, den Architekten Michael Gruber und Kulapat Yantrasast sowie dem Architekturbüro Stefano Massarenti aus Ferrara zusammenarbeitet. Der Entwurf sieht fünf verglaste Gebäude vor, die symbolisch das grundlegende Element der jüdischen Religion und Kultur widerspiegeln: die fünf Bücher der Tora.

GRÜNDUNG Die Gründung des Museums hat eine lange Geschichte. Nachdem Italiens Parlament im April 2003 beschlossen hatte, ein solches Museum zu errichten, zeigten sowohl Ferrara als auch Rom Interesse.

Zunächst entstand das römische Museum der Schoa in der Villa Torlonia. 2007 wurde dann die Finanzierung des MEIS mittels einer Stiftung gesetzlich geregelt, und man wählte als künftigen Standort Ferrara.

Die Stadt in der Region Emilia-Romagna blickt auf eine mehr als 1000-jährige jüdische Geschichte zurück, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts mit der dort regierenden Familie D’Este verbunden war. Herzog Ercole rief 1492 die von der Iberischen Halbinsel vertriebenen Juden auf, sich in Ferrara niederzulassen. Durch den Zuzug vieler jüdischer Geschäftsleute aus Spanien entwickelte sich die Stadt zu einer der blühendsten in ganz Italien.

Der neue Museumskomplex befindet sich zentral gelegen in der Nähe des ehemaligen Ghettos mit seinen drei Synagogen und dem Friedhof. Für den im Januar eröffneten Teil des Museums hat der ita­lie­nische Staat rund 47 Millionen Euro ausgegeben. Der 80 Jahre lang als Gefängnis dienende Gebäudekomplex wurde modernisiert und bauökologisch zertifiziert. Aus dem geschlossenen Ort, in dem während des Faschismus auch der italienisch-jüdische Schriftsteller Giorgio Bassani gefangen war – sein Buch Die Gärten der Finzi-Contini ist heute ein Klassiker –, wurde damit ein offener Ort.

MITTELALTER In Ferraras neuem Museum ist noch bis zum 16. September eine Ausstellung zu sehen, die den Titel trägt: »Die Juden: Eine italienische Geschichte. Die ersten 1000 Jahre«. Die Schau stellt auf ori­ginelle Weise die Einzigartigkeit der Geschichte des italienischen Judentums dar. Sie beschreibt, wie sich die jüdische Präsenz auf der Halbinsel von der römischen Antike bis ins Mittelalter entwickelte und wie sich bei den Juden der Region im Laufe der Zeit eine eigene Identität herausbildete.

Heute leben kaum mehr als 50.000 Juden in Italien. In der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft wissen nur wenige, wie stark die jüdische Gemeinde seit mehr als zwei Jahrtausenden die Geschichte des Landes mit wissenschaftlichem wie künstlerischem Schaffen mitprägt.

Tatsächlich gibt es in der westlichen Diaspora keinen zweiten Ort, der eine so alte, verstreute und kontinuierliche jüdische Präsenz aufweist. Manche sagen daher, Italien werde auf Hebräisch nicht zufällig I-Tal-Ya, die »Insel aus göttlichem Tau«, genannt.

Der Museumsrundgang beginnt mit einer Multimedia-Show unter dem Titel: »Mit den Augen der italienischen Juden«. Zwei große Bildschirme nehmen den Besucher mit auf eine Zeitreise, die ihm die Geschichte der Apenninhalbinsel aus dem Blickwinkel der italienischen Juden anhand von Einzelschicksalen lebendig erzählt.

Der Besucher wandert von Jerusalem nach Rom, erfährt, wie die Heiden die Juden mit den ersten Christen verwechselten, die christlichen Herrscher das Judentum anfänglich tolerierten, die Juden dann aber ins Ghetto sperrten. Später ließen sich Juden in verschiedenen Teilen Italiens nieder und bauten vor allem im Süden wieder sehr aktive Gemeinden auf, die in regem Austausch mit Christen und Muslimen standen.

Die Ausstellung ist eine Art Parcours mit rund 20 Stationen. Je nachdem, wie sie die Besucher aufnehmen, sollen sie später konzeptuell in die künftige Dauerausstellung aufgenommen werden.

INSTALLATIONEN Um dem Publikum die vergangenen Zeiten besser nahezubringen, gibt es auch Installationen. So wurden zum Beispiel einige Bereiche der jüdischen Katakomben Roms durch dreidimensionale Grafiken rekonstruiert, und es wird verdeutlicht, dass die Römer Teile des Jerusalemer Tempels für den Bau des Kolosseums nutzten.

Wegen ihrer besonderen historischen Bedeutung werden auch die Reproduktionen von zwei Synagogen mit ihrem Interieur und Mosaiken gezeigt: die in Ostia Antica im Latium aus der Zeit vor der Zerstörung des Jerusalemer Tempels sowie die im kalabrischen Bova Marina. Weiterhin sind Reproduktionen der Begräbnisfresken aus Venosa ausgestellt.

Die Schau enthält mehr als 200 zum Teil sehr wertvolle Objekte, die von Museen in Italien und dem Ausland geliehen wurden. Darunter befinden sich Manuskripte wie ein Fragment des Jerusalemer Talmuds, mittelalterliche Dokumente aus der Kairoer Genisa sowie zahlreiche Ringe, Siegel, Münzen, Öllampen und Amulette.

Die Ausstellung erzählt, welche Bedingungen die Mehrheit der Minderheit stellte und wozu dies führte: zu Assimilation, Zwangskonversion und zu Versuchen der Auslöschung.
»Unser Ziel ist es, Wissen zu verbreiten und jeden anzusprechen«, sagt Museumsdirektorin Simonetta Della Seta. »Wir öff­nen dem Dialog die Tore – damit der Beitrag einer Minderheit hilft, sie kennenzulernen und zusammen Welten zu bauen, die wir miteinander teilen.«

Altri contenuti

Raccontaci il tuo ‘900

Raccontaci il tuo ‘900

In occasione della nuova mostra “Ebrei nel Novecento italiano”, il MEIS lancia la call to action “Ti racconto il mio ‘900”, un progetto digitale che rende tutti gli ebrei italiani protagonisti dell’esposizione dedicata al XX secolo. Vi invitiamo a inviare una foto e un testo (massimo 5000 battute) che racconti un’esperienza personale vissuta nel Novecento e che descriva le tante sfaccettature dell’identità […]
9 aprile, corso online REMEMBR-HOUSE

9 aprile, corso online REMEMBR-HOUSE

Proseguono i corsi online realizzati nell’ambito del progetto europeo “REMEMBR-HOUSE” a cura del MEIS e della Fondazione 1563 per l’Arte e la Cultura della Compagnia di San Paolo. Martedì 9 aprile alle 14.30 si terrà online sulla piattaforma Zoom il training “Archivi: una palestra per la didattica”.Gli archivi sono strumenti strategici per la costruzione di percorsi formativi efficaci. L’incontro presenta progetti […]
8 aprile, articolo 3 a Firenze

8 aprile, articolo 3 a Firenze

Si conclude lunedì 8 aprile il progetto realizzato dall’UCEI in collaborazione con il MEIS dedicato all’Articolo 3 della Costituzione Italiana.  Dopo Torino, Roma, Venezia, Napoli, Milano e Ferrara si chiude a Firenze con l’incontro “Uguaglianza: società e responsabilità” previsto alle 17.00 presso l’Università (Piazza San Marco, 4). Dopo i saluti di Alessandra Petrucci, Rettrice Università degli Studi di Firenze; introducono Enrico Fink, Presidente Comunità Ebraica di […]
11 aprile, evento online con #ItaliaEbraica

11 aprile, evento online con #ItaliaEbraica

Torna per il quarto anno #ITALIAEBRAICA, il progetto online che riunisce i musei ebraici italiani e che ha visto la partecipazione di migliaia di persone. L’edizione di quest’anno è dedicata ai libri: condivideremo con voi storie e aneddoti sulle collezioni, i luoghi e la fattura stessa dei volumi, ma approfondiremo anche i temi che emergeranno sfogliando […]
Al via alle visite guidate alla mostra Ebrei nel Novecento italiano

Al via alle visite guidate alla mostra Ebrei nel Novecento italiano

Da sabato 30 marzo sarà possibile partecipare alle visite guidate a partenza fissa dedicate alla nuova mostra del MEIS “Ebrei nel Novecento italiano”. In sala più di cento oggetti originali permetteranno di ripercorrere oltre cento anni di storia. Accanto alle opere d’arte, potrete scoprire anche foto, documenti e filmati che testimoniano sia gli avvenimenti epocali, […]